Freitag, 15. März 2013

Sehnsuchtsorte: Koh Tonsay




Kambodscha war nach der Herrschaft der Roten Khmer lange Zeit kein Touristenmagnet. Das hat sich inzwischen deutlich geändert. Hauptsächlich werden die Touristen von den Tempelanlagen Angkors und der Hauptsdtadt Pnom Penh angezogen. Doch auch die Küste des Landes erlebt einen Boom. Vor allem betrifft das die Strände um die Küstenstadt Sihanoukville - benannt nach dem verstobenen König Sihanouk; bei den Einheimischen ist sie weiter unter dem alten Namen Kompong Som bekannt. 
Bald hörte ich Gerüchte über die ansässige Russenmafia. Ich möchte nicht suggerieren, ich wüsste, was sich wirklich hinter den Kulissen abspielt. Das wäre sicherlich eine sehr spannende aber nicht minder gefährliche Investigativ-Recherche. Ich sage mal so viel: die Grenzen zwischen einigen Wirtschaftsunternehmen und kriminellen Betrügern sind fließend.
Ich las nach meiner Rückkehr nach Deutschland von einem Vorfall auf einer der vorgelagerten Inseln vor der Küste bei Shinoukville, der mich aufhorchen ließ und der mich an die Gerüchte erinnerte, die mir damals zu Ohren gekommen war.

Der Oligarch Sergej Polonski war in Kambodscha verhaftet wurde. Ihm wird der Satz zugeschrieben: „Wer keine Milliarde hat, soll sich verpissen!“. Das sagt viel über sein Selbstverständnis aus. Leider ist er mit der Meinung, Geld könne alles kaufen, unter den Neureichen keineswegs allein. Zusätzliche Bekanntheit verlieh ihm eine Fernsehdiskussion, während der er den Oligarchen Alexander Lebedew als „Maulheld“ bezeichnete, woraufhin er von diesem mit einem Faustschlag niedergestreckt wurde.

Während der Finanzkrise implodierte Polonskis Imperium – das sich wesentlich auf Immobilienspekulationen gründete. Angeblich soll sein Vermögen von 3,5 Milliarden auf 60 Millionen geschrumpft sein. 2012 setzte er sich nach Kambodscha ab.

Das neue Jahr wollte er auf Ko Rong mit einem Feuerwerk feiern. Doch in der allgemeinen Euphorie (die russische Presse munkelte von psychedelischen Pilzen) beschloss das Trio, die Raketen bereits an Bord des Schiffes zu zünden. Der Kapitän war damit naturgemäß nicht einverstanden, und wurde nach einem Handgemenge mit seinen zwei Besatzungsmitgliedern zunächst in die Kajüte gesperrt. Kurze Zeit später zwang das Trio die Mannschaft, über die Planke zu springen.

Nicht zuletzt die Tatsache, dass es sich bei dem Kapitän um den Sohn des Hafenkommandanten von Shinoukville handeln soll, führte zu einem Eingreifen von Sicherheitskräften und zur Inhaftierung des Trios. Doch es wird erst kurios.

Seiner Entschuldigung, „ein Missverständnis und die Sprachbarriere hätten zu dem Zwischenfall geführt“, schloss sich schließlich auch die Besatzung des Schiffes an – nach der Vereinbarung einer großzügigen Zahlung als Schadensersatz. Doch damit nicht genug: ihm drohte die Abschiebung nach Russland, wo die Behörden gegen ihn wegen schwerem Betrug ermittelten. Einige frühere Geschäftspartner forderten ebenfalls seine Auslieferung. Offenbar schuldete er ihnen eine Menge Geld. In einem offenen Brief appellierte Polonski an den König von Kambodscha – in dem Schreiben beklagt er sich über die Zustände im Gefängnis, die ein schlechtes Bild auf das Land werfen würden, und bittet zugleich um seine Einbürgerung, um in Kambodscha ein Projekt „von Weltrang“ als Geste der Entschuldigung realisieren zu können. Mit einem kambodschanischen Pass wollte er der Abschiebung nach Russland entgehen. Tatsächlich wurde er später nach Russland überführt und es wurde Anklage gegen ihn erhoben. Er wurde zwar nach langem Verfahren verurteilt, entging aber einer Gefängsnisstrafe wegen Verjährung. Geld regiert die Welt.

Doch es gibt es noch anderer Vorgänge an der Küste, die mir Magenbeschwerden bereiten. 2006 wurde die Insel Koh Pos für 99 Jahre an die Koh Puos Investment Group verpachtet. Diese wirbt auf ihrer Website mit dem Slogan The Art of Coastal Development. Die Insel wurde durch eine Brücke mit dem Hawaii Beach verbunden – der ebenfalls von derselben Investorengruppe bewirtschaftet wird. Hier sollen Hochhäuser mit Meerblick entstehen. Zurzeit befinden sich 36 luxury oceanfront villas im Bau - mit 450-570 Quadratmetern und mehreren Schlafzimmern. Folgen sollen 198 großzügige Apartments, Tennisplätze, Fitnesscenter, ein Spa, Hotels, eine Shopping Mall, ein Yachthafen und ein großer Kasinokomplex. Die Insel wird dann Morakot Island heißen, die man über Morakot Landing von Morakot City aus erreicht. Gruselig! Und Inzwischen Realität.

Damit nicht genug. Nicht weit entfernt, entsteht ein weiteres gigantisches Projekt auf Koh Rong. Großspurig wird das Projekt der Royal Group in einem Video als logische Fortführung der visionären Schaffenskraft der Erbauer Angkors dargestellt. Gemeinsam solle das Resort Island Development an der indochinesischen Riviera in einem Masterplan neben Angkor und Pnom Penh einen dritten Pfeiler im kambodschanischen Tourismus darstellen. 
Paradise Forever lautet der Hauptslogan. Ich finde es zynisch, ein in seiner natürlichen Form paradiesisches Eiland durch die "Aufwertung" in Form des Baus von Luxusapartments, Hotel, Resorts, eines Yachthafens und eines vollständigen Golfkurses in ein Paradies zu verwandeln. Es wird groß damit geworben, es handele sich um ein ökologisches Projekt. Als sei es ein Verdienst, das ein Teil der Insel in ihrem natürlichen Zustand erhalten bliebe. Natürlich kann man anführen, dass eine Zersiedlung durch eine nicht durchdachte touristische Nutzung bisweilen ebenfalls große Schäden anrichten kann. Doch erscheint mir allein die Vorstellung, man könne eine Insel designen ausgesprochen selbstgerecht, respektlos und größenwahnsinnig. 

Ganz abwegig wird der "ökologische Gedanke" für mich, wenn ein Flughafen das Zentrum der Insel darstellen soll – obgleich die Insel in weniger als drei Stunden vom Festland erreicht werden kann – Sihanoukville verfügt bereits über einen nationalen Flughafen. Der geplante Flughafen soll Direktverbindungen mit Pnom Penh, Siam Raep (bei Angkor), Ho-Chi-Minh-City (Saigon), Hanoi, Bangkok, Hong Kong, Singapur und Kuala Lumpur ermöglichen. Der Energie- und Wasserhunger der geplanten Anlagen ist immens. Von sozialen Bedenken ganz zu schweigen – zwar wird mit enterprise oppurtunities for the local khmer people geworben, aber man kann sich leicht ausrechnen, dass diese Insel nur ein Paradies für die sein wird, die es sich leisten können. Nur wenige Kambodschaner werden von dieser Entwicklung profitieren, für die Meisten ist die allgemeine Preissteigerung, die unweigerlich folgen wird, eine Bedrohung in ihrer Existenz. Mal abgesehen davon, wie es sich anfühlt, wenn Neureiche sich im eigenen Land aufführen wie die Könige. 

Insgesamt ist das eine Form des „Fortschritts“, wie man sie überall beobachten kann, bei der es nicht um die Verbesserung der Verhältnisse für die Allgemeinheit geht, sondern um individuelle Interessen und die Umsetzung des technisch Möglichen. Ich finde nicht nur die Idee Landschaften zu designen befremdlich, sondern im selben Maße die Sprache, die genutzt wird, um diese Entwicklung zu verkaufen.

2012 ist auf der vietnamesischen Insel Phuc Hoc, die ebenfalls direkt vor der kambodschanischen Küste liegt, ein neuer internationaler Flughafen entstanden und es ist wohl nur eine Frage der Zeit, wann der Flughafen von Sihanoukville an Größe gewinnen wird. Pnom Penh und Siam Raep verfügen bereits über internationale Flughäfen. Man braucht kein Hellseher zu sein, um zu ahnen, wohin diese Entwicklung führen wird. 

Die nachfolgenden Bilder sollen zeigen, welch Schönheit im natürlichen Zustand der Inseln liegen. Die Gefahr für Koh Tonsay liegt in meinen Augen auch weniger im Massentourismus - dafür ist Sihanoukville als Touristenmagnet zu dominant und der Küstenort Kep auf den ersten Blick zu wenig einladend – doch auch auf Koh Tonsay war ein großes Kasino geplant. Glücklicherweise scheint das Projekt noch immer nicht realisiert worden sein. 
Die Insel sprach mich gerade wegen der Ursprünglichkeit so an. Es gab keinen Strom, keine Läden, wenige kleine Restaurants und Unterkünfte. Meine Compadre Thomas und Pete hatten zuvor Koh Rong in ihrer kaum erschlossenen Form genossen. Der Flughafen ist bisher zum Glück (noch) nicht gebaut worden, aber Koh Rong besitzt nun einige Resorts, in denen man gut und gerne 2000-2700 Dollar die Nacht ausgeben kann. Gleichzeitig gibt es aber auch noch Möglichkeiten, erheblich günstiger unterzukommen. 

Aber nun zu meinen Eindrücken von Koh Tonsay: 
 













Weiterführende Links:



Heaven - unvergessliche Begegnung an der Küste Kambodschas

Reisereportage: Angkor Wat
 
Das Inselinnere von Ko Pha Ngan - auf der anderen Seite des Golfs von Thailand.


Reisereportage: Kathmandu und der Fortschritt

Der Preis des Fortschritts - Reportagen aus Indien, China und Papua...

Rezension: Wege der Menschen - auf den Straßen, die unsere Welt verändern

Sechs ausführlich recherchierte und vielschichtige Reportagen des Journalisten Ted Conover über die Globalisierung, die Verheißungen des Fortschritts und seine Schattenseiten.
 

Spiegel-Artikel über Polonskis Verhaftung

6 Kommentare:

  1. Hola,
    vielen Dank für den sehr informativen Artikel und vor allem für die wirklich wunderbaren Fotos. Es hat mich gefreut ihn zu lesen.
    Viele Grüße aus Spanien.

    Sinceramente suyo
    Grandaris C.

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    1. Hola,

      Herzlichen Dank für die lieben Worte und das Interesse!

      Vielleicht schaffe ich es ja auch mal nach Spanien; La Gomera würde mich sehr reizen; Liebe Grüsse nach Spanien!

      Oleander

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  2. Ich schließe mich Deinen geäußerten Sorgen an und freue mich sehr für Dich, das Du das Paradies noch erleben durftest, überwältigende Fotos!

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    1. glücklicherwiese habe ich bisher nichts Neues zu den Casino-Plänen auf Ko Tonsay gehört; vielleicht besteht Hoffnung. In dem kleinen Gasthaus ging auch eine Unterschriftensammlung gegen die Pläne herum. In jedem Fall wäre es für mich kein Trost, da gewesen zu sein, bevor sich die Dinge geändert haben; diese Entwicklung muss aufgehalten werden. Es wäre eine Schande, wenn kommende Generationen solhce Orte nicht mehr vorfinden könnten!

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  3. Danke für die interessanten Einblicke. Ich lese gerade "Fliegen ohne Flügel" vom Terzani, und über das ganze Buch hadert der Autor ja im Prinzip mit den Folgen des (westlichen) Fortschritts, der immer nur ein besseres Leben für eine privilegierte Schicht bereithält. Gruselig und traurig zugleich.

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    1. gerne! In gewisser Weise sehe ich mich auch in seiner Tradition. Die Lektuere seiner Buecher hat mich mitgepraegt; oder anders gesagt, ich fand meine eigenen Gefuehle wiedergespiegelt - nur eben zu einem Zeitpunkt an dem das alles noch nicht so deutlich sichtbar war, wie heute. Manchmal frage ich mich, was er wohl von der heutigen Welt halten wuerde. In jedem Fall ein Vorbild. Ein unglaublich spannender Lebensweg, der mich tief beruehrt!

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